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Nachlese zur Wissensoffensive 2019 in Hagen

„Um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland in Zukunft aufrecht zu erhalten, führt kein Weg an einer Auseinandersetzung mit Kollaborativen Robotern und dem Einsatz von KI im Produktionsprozess vorbei“, betonte Herr Gruschinski von der Ruhrbotics GmbH und eröffnete damit den Vormittagsworkshop der Wissensoffensive 2019.

Ich durfte an diesem Tag für unser Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V. einen Thementisch im World Cafe moderieren. Wie in jedem Jahr war auch diese Wissensoffensive wieder voll mit spannenden Themen, die üblicherweise direkte, praktische Bezüge in Unternehmen haben.

Der Referent von Ruhrrobotics erläuterte den wachsenden Markt für Kollaborative Roboter (Cobots) und deren Preis- und Nutzenvorteilen für Unternehmen. So ist eine Verzehnfachung der Marktgröße für Cobots innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwarten. Cobots verbinden dabei die Produktionsvorteile der manuellen und der automatisierten Fertigung hinsichtlich der Variantenvielfalt, Stückzahl, Flexibilität und Durchsatz. Das Zusammenspiel von Mensch und Roboter unterteilt sich dabei je nach Intensität der Exposition und Berührungsnähe in eine Form der Koexistenz, eine synchronisierte Arbeitsweise, eine Kooperation und die Kollaboration. Dabei ist die Überschneidung von Mensch und Roboter bei der Kollaboration am größten und ermöglicht eine maximal flexible Produktion.

Anschließend stellte Frau Prof. Dr.-Ing. Andrea Dedrichs-Koch von der Hochschule FOM die 5. Generation ihres Lern-Roboters Nao vor. Der interaktive Roboter dient als Lernwerkzeug, das Lehrer durch KI und Big-Data-Analytics dabei unterstützt für jeden Schüler ein optimales Lernklima zu schaffen. Unter dem Schlagwort „Inklusion 4.0“ soll auch durch die Gesellschaft benachteiligten Personen ein Zugang zu hochwertiger und individuell maßgeschneiderter Bildung ermöglich werden. „Bei unseren Besuchen vor Ort haben wir schnell festgestellt, dass bei fast allen Schülern ein großes Interesse am Umgang mit dem Roboter bestand.“ erzählte Frau Prof. Dedrichs-Koch. Die einfache Programmierung des Roboters über eine benutzerfreundliche Oberfläche öffnet auch unerfahrenen Personen den Einstieg in die Welt des Programmierens. Zum Abschluss präsentierte Nao den Teilnehmern durch eine Tai Chi Präsentation sein Fähigkeiten.

Rethink Robotics GmbH, die mittlerweile Teil der HAHN Group GmbH geworden sind, stellte den Cobot „Sawyer“ vor, der eine einfache Bedienung bei gleichzeitig hohen Sicherheitsansprüche miteinander vereinigt. Zusätzlich erreicht Sawyer mit einer Wiederholgenauigkeit von 0,1mm eine hohe Präzision. Die präzise Messung biomechanischer Grenzwerte für Menschen wurde hierfür in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -Automatisierung IFF ermittelt. Zusätzlich wurde auf das Produkt „Airskin“ von Blue Danub Robotics verwiesen, welches mit Hilfe von druckempfindlichen Schaumstoffpolstern einen weiteren Schutz für Arbeiter im Umgang mit Cobots bietet.

Der wichtigste Vorteil der Cobot Lösung der Rethink Robotics GmbH liegt allerdings in der Einfachheit der Softwarelösung, die eine vollständige Programmierung mit nur wenigen Klicks ermöglicht. Als Technologieexperte verwies er jedoch auf fehlende Standards im Bereich der Industrie-Roboter. Dadurch wird vor allem die Kombination der Software verschiedener Anbieter kompliziert und kostspielig.

Einige Industrievertreter merkten an, dass durch den Wandel der Produktion hin zu kleineren Losgrößen mit höherer Produktvariabilität der Einsatz von Cobots essentiell wird, um gegenüber technologisch schnell aufholenden asiatischen Ländern, wie beispielsweise China, konkurrenzfähig zu bleiben. Dabei sei die Kombination von Cobots und KI notwendig. „Insgesamt können Cobots durch ihre präzise Arbeitsweise zu einem robusteren Produktionsprozess mit geringeren Fehlerquoten und damit weniger Ressourcenverschwendung beitragen“ so Herr Gruschinski.

Um 13 Uhr begann der Hauptteil der Wissensoffensive.

Zunächst begrüßte Herr Prof. Dr. Andreas Kleine als Prorektor für Forschung und wissenschaftliche Nachwuchsförderung der FernUniversität in Hagen die knapp 140 Teilnehmer. Hierbei wurden die Forschungsschwerpunkte der Universität vorgestellt. Kleine betonte, dass es Aufgabe der Universität sei, Forschungsergebnisse sichtbar zu machen, um so den „Transfer in die Gesellschaft“ zu bewerkstelligen. Der Studiengang Data Science wurde angesprochen, der sich derzeit an der FernUniversität Hagen in Planung befindet und so seinen Beitrag zur Überwindung der Digitalisierungsherausforderungen leisten soll.

Darauffolgend stellte Herr Jan Henrik Holk, Head of Training Center der Maschinenfabrik B. Krone GmbH & Co. KG die, mit dem eLearning Award 2019 in der Kategorie „Internationaler Rollout: Lernportale im Best Practice Einsatz ausgezeichnete, firmenintern entwickelte Lernplattform vor. Die B. Krone GmbH & Co. KG konnte eine Problemlösung für die Einweisung von Käufern in ihre landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge, die im Zuge der Digitalisierung eine immer größere Palette von Assistenzsystemen beinhalten, entwickeln. Dies barg vor allem auf Grund des globalen Absatzmarktes und den damit verbunden hohen Aufwand für die Einweisung der Kunden ein enormes Einsparpotential. Nach anfänglicher Entwicklung von Lerninhalten durch externe Anbieter, ging die B. Krone GmbH & Co. KG in den letzten Jahren dazu über ein firmen internes Team damit zu beauftragen. Dadurch konnte das bereits im Unternehmen vorhandene Expertenwissen direkt in die Lehrinhalte miteinfließen.

Anschließend ging es nach einer kurzen Pause in die einzelnen Labs. Frau Prof. Dr. Lochner stellte in Lab 1 die ganze Bandbreite von Recruiting-Tools unter Einbezug von KI vor. Sie zeigte auf, dass sich bereits ein Wandel von einem Arbeitgeber- hin zu einem Bewerbermarkt vollzogen hat. Daher sei der Einsatz eines effizienten Bewerbermanagementsystems unter Verwendung von KI für Unternehmen heutzutage unverzichtbar.

Herr Wissenbach von der Heinrich Stamm GmbH stellte darauffolgend das firmeninterne Ausbildungssystem vor. Hierbei wird in erster Linie versucht bereits im Unternehmen vorhandene und motivierte Mitarbeiter die Chance zu geben sich weiter zu qualifizieren. Der Einsatz von KI kann dadurch ein wartungsarmes und auf jeden Mitarbeiter individuell zugeschnittenes Lernumfeld schaffen.

In Lab 2 stellten Prof. Dr. Thomas Schack vom Excellenz-Center CITEC und Prof. Dr. Ralph Dreher von der Universität Siegen individualisierte assistive Technologien zur Kompetenzentwicklung für Unternehmen vor. Herr Prof. Dr. Dreher verdeutlichte den Einsatz von KI anhand der Beispiel Expertensystem und AR-Authoring.

In Lab 3 stellte Ekkehard Wiechel von der Effizienzagentur NRW und Herr Dipl.-Ing. Marcel Graus von der Cambio Analytics GmbH Köln Möglichkeiten zum Aufspüren von Einsparpotentialen mittels Machine-Learning-Methoden und Big-Data-Technologien für Unternehmen vor, um so Ressourcenverschwendung zu vermeiden.

Nachdem sich die Teilnehmer in den Labs 1-3 intensiver mit den Themen KI im Recruiting, Assistenzsystem für die Weiterbildung und KI für Effizienz und Nachhaltigkeit beschäftigen konnten folgte das Kommunikationskaffe. Die Teilnehmer konnten sich über das neu gewonnene Wissen austauschen und bei Kaffee und Kuchen kurz innehalten.

Ab 15:40 Uhr folgte der nächste Vortrag von Herrn Hermann Ortmeyer, der als internationaler Produkttrainer bei der Miele & Cie. KG arbeitet. Herr Ortmeyer stellte das, mit dem eLearning Award 2019 in der Kategorie kompetenzorientiertes eLearning, interaktive eLearning System zur Kompetenzentwicklung von Verkäufern für Haushaltsgeräten der Miele & Cie. KG vor. Das auf dem vorgestellten Kompetenzatlas beruhende System stellt die Verkäufer in unterschiedlichen Kundengesprächen vor die Herausforderung die richtigen Kommunikationsmöglichkeiten zu wählen. Der Schwierigkeitsgrad der Kommunikationssituation past sich dafür an die bereits vorhandenen Kompetenzen des Verkäufers an und kann dann stufenweise gesteigert werden.

Ab 16:10 Uhr folgten die Labs 4-6. In Lab 4 stellte Herr Dr. Frank Boeger von der MHP Management- und IT-Beratung GmbH, ein Tochterunternehmen der Porsche AG, das Konzept Agiles Management und Susanne Hein von der artaro GmbH das Konzept Agile Lernkultur vor.

In Lab 5 präsentierten Herr Dirk Burkhard vom Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Saarbrücken und Herr Maximilian Poretschkin vom Fraunhofer IAIS und KI:NRW die Wichtigkeit und Umsetzungsmöglichkeiten für KI-Training vor.

In Lab 6 zeigten Herr Prof. Dr. Vieregge vom Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum eStandards und Herr Timo Manke von der LMB-Laser-Materialbearbeitungs GmbH wie anhand von Daten-Robotern Umsatzsteigerungen erreicht werden. Vor allem die Auswertung der Firmen-Website gilt als überaus nützliches Tool zur Neukunden-Identifizierung und Bestandskundenbetreuung.

Nach den einzelnen Labs und einer kurzen Pause ging es um 17 Uhr mit der abschließenden Podiumsdiskussion weiter. Volker Ruff, Geschäftsführer der HAGENagentur GmbH, Heinz Leymann, Bundesvorsitzender IfKom, Heiker Schneider-Jenchen, Vizepräsidentin Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. und weitere Industrievertreter diskutierten unter der Moderation von Herrn Martin Hilbig über Digitalisierungsherausforderungen, Innovationskosten und, bedingt durch die Globalisierung verschwimmende Grenzen und verstärkte Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Die Diskussion zeigte, dass Deutschland durch sein hohes Bildungsniveau ein solides Fundament besitzt, um auch in Zukunft an der Weltspitze zu bleiben. Dennoch müssen sich, gerade auch klein- und mittelgroße Unternehmen Kompetenzen im Bereich Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen und Big Data Analytics aneignen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandort Deutschlands langfristig aufrechtzuerhalten.

Vielen Dank an Rene Ladwig für die Unterstützung beim Schreiben der Nachlese.