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Nachlese zur Wissensoffensive 2018 in Hattingen

Am 4.12.2018 trafen sich über 90 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in der Gebläsehalle der Henrichshütte in Hattingen. So traf sich die Vergangenheit für einige Stunden mit der Zukunft, und wenn die Hallen der Hüttentechnik (gegründet im Jahr 1854) sehen könnten, was wir heute machen – sie wären nie auf die Idee gekommen, dass es einmal so weit kommen konnte. „Was für eine Themenverdichtung – Netzwerken, Digitalisierung, industrielle Entwicklungen, Zukunftsszenarien, Unsicherheiten – und mitten drin der Mensch“, meint Achim Gilfert, der als Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V. sowie als Mediator versucht, Spannungsfelder zwischen Mensch und Maschine zu bewerten: „Hier wird es so komplex, dass Überforderung noch mehr zunehmen wird“.

Stellen Sie sich vor, wir ersetzen das Jahr 1854 durch das Jahr 2018. Wir versuchen gar nicht, über 160 Jahre in die Zukunft zu schauen, sondern nur einen Ausblick für die nächsten 10 bis 20 Jahre zu erhalten. Und selbst das ist schwierig genug. „Eine Dekade – und auch das gleicht mehr einem Rätselraten“ sagt Thomas Erdmann, der die Veranstaltung moderierte. In den nächsten Jahren werden 500 Mrd. Geräte eine Sprache miteinander sprechen – insbesondere bedingt durch das Internet der Dinge. Kaum vorstellbar! Jeder, der Smart Home Komponenten wie Leuchtmittel oder Thermostate zuhause hat, kennt das – jedes Teil hat eine eigene Adresse. Diese Verbindungen erlauben Standards in der Maschinenkommunikation, die bei industrieller Anwendung aber noch sicherer und mit weniger Verzögerung arbeiten müssen als bei der Heimanwendung.

Menschen verstehen und sprechen anders als Maschinen!

Der Mensch spricht eine andere Sprache und ist nicht mehr in der Lage, diese Kommunikation zu verstehen. Wir bauen daher technologische Systeme, die uns die Informationen so aufarbeiten, dass wir sie verstehen können. Allerdings nur soweit, wie es die Maschine (oder der Programmierer) für notwendig erachtet. Hier entsteht eine Abkopplung der Menschen von den Kernprozessen, die für gravierende Spannungsfelder sorgen kann. Das passiert allerdings auch heute schon, beispielsweise bei den modernen Autos. Bei der Wissensoffensive ging es im Weiteren um das Thema der Kollaboration – der Zusammenarbeit von Menschen mit Maschinen. Hier waren Beispiele zu sehen, wie Roboter „Hand in Hand“ mit Menschen zusammenarbeiten. Dabei bekommen Konfliktfelder noch einmal eine andere Bedeutung: Neben Fragen der Verantwortung für die Handlungen des Roboters steht die Frage im Raum, ob es zukünftig wirklich um Zusammenarbeit oder vielmehr um die Integration des Menschen in die Technik geht. Die einen sprechen von einem Segen, andere wiederum von einem Selbstbetrug der Menschen – vom Absägen des Astes, auf dem wir sitzen.

Für diese Fragestellungen bietet die Wissensoffensive stets ein offenes Forum: Im „World Café“ diskutierten Teilnehmer mit Experten aus Wissenschaft und Praxis nach den ersten Impulsvorträgen Fragen, die die Zukunftsthemen zwangsläufig aufwerfen, und erarbeiteten durch den Austausch eine Bandbreite an Antworten.

Die Thementische standen im Fokus verschiedener Bereiche. So zur Business Intelligence in der Anwendung von Neukundeakquise, zum Thema Change-Management und Konfliktmanagement, zum Arbeitsplatz der Zukunft mit seinen Anforderungen, zu Retrofit-Lösungen – das bedeutet die nachträgliche Digitalisierung von alten Maschinen, sowie zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Menschen?

Beispielhaft für den Ablauf an den Thementischen im World Café schauen wir auf den Stand Change und Konfliktmanagement. Nach einem kurzen Impuls zur Digitalisierung und den Auswirkungen auf die Menschen wurden die Teilnehmer nach Ihren Gedanken zu dem Thema befragt. Sorgen vor Arbeitsplatzverlust, Angst sich zu blamieren, nicht mitzukommen oder auch die Furch vor der mit der Digitalisierung fast immer einhergehenden Dauerüberwachung der Mitarbeiter wurden hier geäußert. Neben den Sorgen wurden auch Gedanken zu Chancen genannt: So zum Beispiel, dass die Maschinen helfen können, schwere Arbeit abzunehmen oder auch leistungsfähig und effizient zu bleiben. Außerdem können Maschinen auch einen Fachkräftemangel abmildern, indem wiederkehrende und zeitintensive Aufgaben durch moderne Programme automatisiert werden.

Im Anschluss an den Gedankenaustausch wurden auch mögliche Lösungen für die Fragen besprochen. Sehr häufig ging es um das „Abholen“ und das „Mitnehmen“ von Mitarbeitern sowie eine veränderte Form von Führung. Beteiligungen der Mitarbeiter/innen bei Digitalisierungsprozessen wurden kontrovers diskutiert. Die Betroffenheit von Konsequenzen ist durch die Hierarchieebenen zeitversetzt, und daher ist es so schwer, allen zu einer Zeit gerecht zu werden.

„Eine Risikobewertung vor Veränderungen oder bei Planung von Digitalisierungsprozessen in personaler Hinsicht ist wesentlich für eine Folgeabschätzung von Kosten, die aus Spannungsfeldern und Konflikten resultieren. Man muss wissen, wie die Konsequenzen seines Handelns aussehen, um negative Effekte abmildern oder vermeiden zu können“ erläuterte Gilfert, der den Thementisch moderierte.

Nach einem weiteren Vortrag über Quantencomputer und künstliche Intelligenz durch Prof. Dr. René Deplanque von der Technischen Universität Berlin, wurde in einer Podiumsdiskussion über das Netzwerken in digitalen Zeiten gesprochen. Dabei lag der Fokus auf dem Netzwerken der Menschen und den Möglichkeiten, darüber gemeinsam Lösungen zu finden. Hier gehen Unternehmen voran, weil Sie erkannt haben, welche Vorteile Kooperation und Vernetzung bieten. Sie schaffen sich selbst stetig Angebote zum Austausch über die betriebliche Praxis und zu Inhalten, die unter das Schlagwort Digitalisierung fallen. Das Ziel liegt hier stark auf dem Fokus, über Veränderungen von Rahmenbedingungen schneller und effizienter Bescheid zu wissen. Der Austausch fördert auch die eigene Kreativität, Lösungen für eigene Strukturen zu finden. Auch die Frage nach wichtigen Qualifikationen wurde besprochen. Kreativität und Geschick im Umgang mit technologischen Neuerungen sind wichtiger als Kaufmännisches oder IT-Fachwissen. Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sowie Selbständigkeit sind die Bausteine, mit denen sich digitale Geschäftsmodelle bearbeiten oder aufbauen lassen.

Bildnachweis: Achim Gilfert  Text: Achim Gilfert 2018