Ich hatte an diesem Tag auch die Möglichkeit, einen Vortrag über die Gedankengänge zum Emotional Risk Mapping (ERM)® zu halten. Dabei ging es weniger um das System, als um die Frage, mit welchen Möglichkeiten jeder Betrieb selbst schauen kann, wie sich die emotionalen Risikolagen bei Veränderungsprozessen darstellen können. Folgend die Nachlese, die auch bei den Veranstaltungspartnern veröffentlicht wurde.
„In Zukunft brauchen wir Menschen nicht mehr arbeiten. Es gibt keinen Grund, warum man nicht alles durch Maschinen erledigen lassen sollte“ und „Es ist wichtig, dass wir Menschen unsere Arbeit haben, denn die macht Spaß und gibt auch Sinn im Leben.“ Die beiden Zitate zeigen anschaulich die Spannweite der Meinungen und Thesen, die am 3. Juli 2019 auf der Praxiszeit Digital Update ´19 in der Henrichshütte in Hattingen thematisiert wurden.
31 Teilnehmer/innen diskutierten zu verschiedenen Themen der Digitalisierung. In sieben Vorträgen wurden die Impulse für den Austausch gesetzt. Nach einer kurzen Begrüßung des Landrates des Ennepe-Ruhr-Kreises, Olaf Schade und Jürgen Köder, dem Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsagentur im Ennepe-Ruhr-Kreis, ging es inhaltlich mit dem ersten Impuls los.
Wolf Strotmann zeigte auf, wie bei der Digitalisierung auch klassische „Anpacker“ im Betrieb mitgenommen werden können. Wie kann man Befürwortern und Gegnern im Betrieb begegnen. Dabei machte er deutlich, dass Digitalisierung nicht zum Nulltarif zu bekommen ist. Digitalisierungsprozesse kosten Geld und dauern auch. Die Veränderungsprozesse, gerade wenn es sich um umfangreiche Digitalisierung handelt, brauchen Zeit und sind nicht über das Knie zu brechen.
Frau Dr. Theißen referierte über das Arbeitsrecht 4.0 und mögliche Auswirkungen auf die neuen Arbeitsformen, die mit der Digitalisierung einhergehen können. Kreativität und Vertrauensarbeitszeiten sind Stichworte, die möglicherweise den gesetzlichen Anforderungen entgegenstehen. Schnell wurde klar, dass die entsprechenden Gesetze einzuhalten sind, jedoch durchaus Spielräume – gerade für kleinere Unternehmen – bestehen.
Marc Letzing, der als Geschäftsführer der GRAUZONE in Hattingen den Ausführungen praktische Aspekte beisteuerte, erläuterte die Besonderheiten der Arbeit in einem Open Space beziehungsweise eines Co-Working Space. Am Ende gilt es auch abzuwarten, da die aktuelle Gesetzgebung der EU noch nicht in den Mitgliedsstaaten angekommen ist. Beobachten heißt die Devise.
Nach einer kurzen Pause ging es mit Professor Vieregge weiter. Thema war die Frage, wo Datenroboter in Unternehmen bereits heute Unterstützung leisten können. Anschaulich wurde die unstrukturierte Datenflut im Internet dargestellt. Im Weiteren ging es dann darum, mit welchen Möglichkeiten diese Informationen strukturiert, ausgewertet und – noch besser – zusammengeführt werden können. Hier sind Maschinen einfach Maß der Dinge, da für unser tausende Jahre altes Gehirn die Zusammenhänge einfach zu komplex sind. Hier scheitert unsere, in anderen Kontexten so bewährte Hardware „Gehirn“.
Bereits in den vorangegangenen Impulsen ging es um Künstliche Intelligenz (KI), sodass Herr Wörheide mit dem Beitrag „Chancen und Risiken durch künstliche Intelligenz“ einen guten Anschluss fand. Wie können praktische Umsetzungen in kleinen und mittleren Betrieben aussehen? Dabei ist darauf zu achten, nicht Opfer von Verklausulierungen und unverständlichen Formulierungen zu werden. „Liegt der Fokus nur auf Algorithmen, kann man durchaus für dumm verkauft werden, wenn die Qualität der zugrunde liegenden Daten nicht zentraler Bestandteil von Systemen ist“, so Wörheide. Das A & O sind valide Messdaten, die ebendiese Datenqualität ausmachen. Nur dann kann ein System verwertbare Ergebnisse liefern. Das gilt auch für Künstliche Intelligenz, denn auch diese „lebt“ ausschließlich von den zur Verfügung gestellten Daten. Wenn die KI aufgrund nicht valider Daten lernt, dann lernt sie falsch. Shit in, Shit out – das gilt auch hier. Herr Wörheide wies auch darauf hin, dass Prozesse digitalisiert werden und daher die Branche weniger relevant ist. Anders gesagt: Wo Prozesse regieren, kann man Digitalisieren.
Nach Ende der zweiten Pause ging es weiter mit Dawid Schäfers, der über die Entwicklung eines Webshops berichtete, bei welchem keine Fotos oder Bilder verwendet werden sollten. Es ging hier um einen Shop für Chemikalien, was für die Oberflächentechnik sehr interessant war. Im Fokus der Entwicklung standen die Usability, das Nutzererlebnis und die Datenintegration. Letzteres war wichtig, damit vorhandene Daten nicht händisch neu verarbeitet werden müssen, sondern sich elegant in das System importieren ließen. Das sparte Zeit und Mühe, denn – so Schäfers – bei IT Projekten gibt es immer ein knappes Budget. Internetauftritt und Webtools werden eher als „Beiwerk“ gesehen. Andererseits wurde deutlich, dass der Vertrieb mit den richtigen Tools effizienter werden und den Umsatz steigern kann. Die „fotofreie“ Lösung in diesem Praxisbeispiel waren farbliche Formen, in welchen die Summenformeln hinterlegt wurden. Der Nutzer findet jederzeit schnell das, was gesucht wird.
Jürgen M. Möckel erläuterte in dem folgenden Impuls, wie man in nur 17 Minuten eine erste, digitale Analyse der Geschäftsprozesse vornehmen und eine Digitalisierungsstrategie für das eigene Unternehmen entwickeln kann. Der Ausbau von Informations-Technologien und -Konzepten, habe in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Grenzen von ERP-Systemen zunehmend aufgebrochen werden können, so Möckel. Dadurch sei es möglich geworden, Geschäftsprozesse bis auf Mikro-Funktionsebene als einzelne, digitale Teilprozesse zu modellieren und in einer Business Engine wirklich real auszuführen. Wie in einem Stellwerk sieht man dann, was gerade im Geschäftsprozess passiert. Jeder einzelne Prozessschritt entspricht einem kleinen Stück Programmcode, der kurzerhand einzeln getestet, verbessert oder ausgetauscht werden kann, führte Möckel weiter aus. Entscheidungsregeln werden dabei in Excel-ähnlichen Tabellen (DMN) eingetragen und in den Prozessschritten maschinell ausgewertet.
Den Abschluss der Vorträge bildet Achim Gilfert mit dem Gedankengang des Emotional Risk Mapping (ERM)®. Mit diesem digitalen Tool lassen sich Risikopotentiale bei Veränderungsprozessen – vornehmlich Digitalisierungsprozessen kartographieren. Mit der Schaffung von Interessenausgleich lässt sich diesen dann begegnen. Dabei wurde erläutert, warum „ausgedachte“ Prozesse und deren Umsetzung erst einmal nichts miteinander zu tun haben. Das Gehirn des Menschen verarbeitet Informationen auf verschiedene Arten und erfordert daher unterschiedliche Arten von Kommunikation. Das Wissen darum ist wesentlich, um Konfliktkosten und vor allem zusätzliche Konfliktkosten bei Digitalisierungsprozessen zu vermeiden. Denn mit einer technischen Lösung kaufen Betriebe auch zusätzliche Begleitprobleme. Die Kosten dafür fallen meist höher aus als der gesamte Technologieeinsatz.
Nach einer kurzen Abschlussdiskussion gab es bei dem anschließenden gemeinsamen Abendessen weiteren Austausch. Die Praxiszeit wurde gemeinsam von dem Kompetenznetzwerk für Oberflächentechnik e.V., dem FachwerkMetall e.V. und der Wirtschaftsförderungsagentur des Ennepe-Ruhr-Kreises durchgeführt. Ich bedanke mich herzlich für die Möglichkeit eines Vortrags an dieser Stelle.
Die Nachlese kann als pdf Datei hier heruntergeladen werden.
Bildnachweis: Achim Gilfert | Text: Achim Gilfert | 2019