„Qualität ist das, was Konfliktpotentiale nicht entstehen lässt“
Das ist mein Vorschlag für eine universelle Definition von Qualität. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Prozesse, Produkte, Ausführungen, Kommunikation oder anderes handelt. Der Vorschlag entstand 2021 im Rahmen meiner Arbeit an dem Buch „Kommunikationsqualität steigern & Konfliktpotentiale senken“. Ein Gespräch in der letzten Woche bewog mich dazu, das in einem Beitrag auszuführen.
In diesem Fall war es so, dass es bei der Entwicklung eines universellen Verständnisses von Qualität im Rahmen einer physikalischen Betrachtung von Kommunikation zu dieser Aussage kam, die im Anschluss auch mit technischen oder technologischen Prozessen abgeglichen wurde. Bisher gab es so eine Aussage nicht und die Grundlage ist, dass ein System grundsätzlich mit Verstehen beginnt und Kommunikation „ist“. Auch technische Prozesse oder Produkte sind Systeme. Im Folgenden ist beschrieben, wie es zu der Aussage kam. Die Quellen finden sich am Ende des Beitrags. Viel Spaß beim Lesen.
QUALITÄT:
Bei Qualität und vor allem Kommunikationsqualität, handelt es sich um eine zentrale Komponente der goldenen Regel der Kommunikation. Um den verschiedenen Kommunikationsdefinitionen Rechnung zu tragen, wollen wir versuchen ein möglichst universelles Verständnis von Qualität zu erlangen. Qualität zu definieren ist fast unmöglich, da der Begriff als Wertimplikation „von Etwas“ in jedem Bereich des Lebens Anwendung findet. In der Industrie und der Wirtschaft allgemein geht es am Ende um die Zufriedenstellung des Kunden. In der Ausführung eines Fertigungsprozesses entscheidet Qualität beispielsweise auch über die Funktion der Bauteile.
Das Beantworten der Fragen, was zum Beispiel Qualität in der Mediation oder Qualität von Information darstellt, ist schwierig. Bei Fragen zu der Lebensqualität, Genussqualität, Schmerzqualität oder auch Leidensqualität kann die Frage kaum beantwortet werden, da die subjektive Natur der Referenz1 sowie die Bewertung daran objektiv wenig erfassbar ist (Messbarkeit). Wir wollen trotzdem versuchen den Qualitätsbegriff so zu definieren, dass er universelle Merkmale von Qualität aufzeigt und benennt.
Qualität wird meist in positiven Kontexten gesehen. Etwas wurde sehr schön ausgeführt, ein Gespräch hatte eine gute Qualität und auch das Auto ist qualitativ sehr hochwertig. Nach Pfeifer hat bereits Lao-tse Qualität schon als Güte definiert2. Allerdings kann Qualität auch misslingen, wenn man die Definition der Qualität des Elektrotechnikers und Qualität Managers Walter Geiger betrachtet.
„Qualität ist realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer geforderten Beschaffenheit“ 3.
Wenn zum Beispiel der Produktionshelfer Kurt Günter (Kurt Günter und seine Familie sind die Hauptprotagonisten in dem Buch „Kommmunikationsqualität steigern & Konfliktpotentiale senken“) zwischen dem Stanzen das Werkzeug nicht säubert und sich während des Stanzens Dreck und Späne in dem Werkzeug befinden, so werden diese in die Bauteiloberfläche gedrückt. Im Ergebnis wird das gestanzte Teil die durch den Kunden geforderten Eigenschaften nicht gänzlich aufweisen. Die Qualität ist in diesem Fall reduziert und negativ bewertet. Dennoch ist es aber eine Qualität.
Die ISO 8402 definiert im Rahmen des Qualitätsmanagements die Qualität als:
„Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“ 4.
Eine weitere Norm, die ISO 9000, definiert Qualität und hat dabei den Anspruch, unabhängig von einzelnen Produkten und Dienstleistungen zu sein. Jedoch dient die ISO zum Nachweis eines bestimmten Vorgehens im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeit. Dies stellt in dem Kontext dieser Arbeit mangels einer Universalität eine Eingrenzung dar, ist jedoch hilfreich sich universellen Eigenschaften zu nähern. So definiert die Norm Qualität als:
„[…] Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt“ 5.
Umgangssprachlicher formuliert bedeutet Qualität demnach, welche dauerhaften Merkmale einem Produkt innewohnen und welche Erwartung daran geknüpft werden.
Die ISO Definitionen zielen in der Regel auf Kundenzufriedenheit ab. Diese Kunden sind Anspruchsgruppen für die Qualität im Unternehmen. Die Sicht des Kunden auf die Qualität kann beispielsweise Produktqualität oder das Qualitätsempfinden des individuellen Menschen sein. So werden seit einigen Jahren Arbeitssuchende und auch Sozialhilfe empfangende Menschen als Kunden bezeichnet – bar jeglicher Freiwilligkeit. Kunden deklarieren sich in diesen Fällen nicht selbst sondern werden als solche deklariert. Der Vorteil für die Institutionen liegt darin, dass auf diesem Wege negativ besetzte Kontexte, wie beispielsweise Sozialhilfe oder Arbeitslosigkeit, positiv in der Gesellschaft dargestellt werden können.
Auch in Krankenhäusern sind die kranken Menschen, beziehungsweise Patienten, Kunden. Bei dieser Anspruchsgruppe steht die Erwartungshaltung an Kommunikation in besonderem Fokus. Das wird deutlich, wenn neben dem qualitativen Ziel der Wiederherstellung der vollständigen Gesundheit, kommunikationsbezogene Erwartungen eine Rolle spielen. In einer Umfrage des Bundesministeriums für Gesundheit werden hier beispielsweise förderliche Persönlichkeitsmerkmale wie Geduld, Ehrlichkeit und Zuhören genannt. Im Weiteren wünschen sich die Patienten, dass Fachinformationen verständlich erklärt werden sowie Empathie und Menschlichkeit der Gesprächspartner. Die Qualität bezieht sich auf das „miteinander“ kommunizieren.
„Kommunikation steht in einem direkten und nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Qualität eines Unternehmens […] Wo Menschen zusammenkommen und kommunizieren, braucht es echte Anteilnahme. Kommunikative Defizite vermindern unmittelbar die Qualität der Leistungen und bieten unnützen Raum für Spekulationen und Interpretationen“ 6.
Als konkretes Beispiel wird erläutert, dass auch Menschen ohne Fachexpertise in der Kommunikation sehr schnell merken, wenn ein Gesprächspartner „technisch oder antrainiert“ kommuniziert. Zwar lässt sich die Körpersprache etwas beeinflussen aber unterbewusst haben Menschen „Antennen“, die auch kürzeste Mikrobewegungen wahrnehmen und interpretieren. Diese sind nicht steuerbar und führen, zum Beispiel bei einem Widerspruch zwischen Gesagtem und der Mimik, zu Inkongruenz. Dies kann mitunter ein schlechtes Gefühl hervorrufen und dazu führen, sich nicht ernstgenommen oder wahrgenommen zu fühlen. Die authentische Wirkung erfolgt umfänglich nur bei einer Kommunikation der totalen Präsenz7.
Ein weiterer Faktor der Qualität von Kommunikation ist die Fähigkeit und der Grad der Verschränkung oder Anbindung an individuelle Wirklichkeiten von Menschen, sowie deren Bewertung. Das bedeutet, inwieweit ein Gesprächspartner in der Lage ist, sich in die Lebenswirklichkeit eines anderen Menschen hinein zu versetzen und in welcher Ausprägung ein Blick aus dieser Wahrnehmungsposition tatsächlich möglich wird.
Nehmen wir beispielsweise unsere Mutter Günter, die als Krankenschwester arbeitet. Die Patienten freuen sich immer wenn sie vorbeischaut, denn sie hört zu und nimmt jeden Menschen so, wie der Mensch ist. Es ist alles in Ordnung wie es ist. Das fühlen und bemerken die Patienten ohne genau sagen zu können warum.
In amerikanischen Studien zur Kommunikation wird angegeben, dass Menschen in einem persönlichen Gespräch zu 7 Prozent den Sachinhalt wahrnehmen. Der Stimme fällt mit 36 Prozent ein deutlich höherer Anteil zu und der weitaus größte Teil liegt bei der Wahrnehmung der Körpersprache mit 57 Prozent. Beim Telefonat hingegen liegt die Wahrnehmungsquote der Stimme bei 87 Prozent und die inhaltliche Wahrnehmung liegt bei den verbleibenden 13 Prozent. Bezogen auf die Stimme ist immer auch Ton und Tonfall mit zu berücksichtigen8. Präsenzkommunikation ist somit als förderliches, positives Qualitätsmerkmal zu sehen.
In der Pflege wird Qualität ebenfalls umfangreich bearbeitet.
„Qualität in der Pflege bzw. Pflegequalität entsteht dann, wenn Kennzeichen/Merkmale der pflegerischen Versorgung ein im Vorfeld definiertes Niveau erreichen, welches sich an den Bedürfnissen und Bedarfen der relevanten beteiligten Gruppen (Klienten, Bewohner, Berufsgruppen, Träger u. a.) messen lässt. Die Qualität in der Pflege wird messbar, wenn zu den Merkmalen der pflegerischen Versorgung Kriterien definiert worden sind, die anhand von evidenzbasierten Indikatoren Rückschlüsse auf das Erreichen von Soll-Werten zulassen“ 9.
Neben diesen Gedanken aus Sicht der wirtschaftlichen Seite, versucht sich der Bildungswissenschaftler Theo Bastiaens an einer universelleren Beschreibung von Qualität. Er benennt die Begrifflichkeit der Qualität in zweifacher Hinsicht als relativ.
„Erstens ist „Qualität“ relativ zu demjenigen, der diesen Begriff verwendet sowie abhängig von den Kontexten, in denen er verwendet wird. Qualität meint für verschiedene Personen unterschiedliches, und auch ein und dieselbe Person verwendet den Begriff womöglich zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich“ 10.
Oliver Lütke bezeichnet Qualität als grundlegende Haltung, welcher jegliche Handlung von Qualitätsakteuren zugrunde liegt. Lütke führt Kommunikation und den Menschentyp als Erkennungsmerkmale von Qualität an und erläutert, dass sie an der Kongruenz der Menschen ableitbar ist11. Hier wären beispielsweise die Summe aller Eigenschaften des Prozesses, die Bewertung der Güte von Prozesseigenschaften sowie den individuellen Werthaltungen innerhalb des Prozesses, Ausdruck von Qualität.
Philip Crosby arbeitete im US-Verteidigungsministerium an der Konzeption eines Null-Fehler-Programms. In diesem Rahmen erläuterte er hierzu den Aspekt einer Kultur der Qualität, welche eine Rückübertragung der Verantwortlichkeit auf alle Systembeteiligten bedeutet. So ist nicht nur ein Part in der Pflicht, sondern alle Akteure sind für Qualität gleichermaßen verantwortlich12.
Die Gemeinsamkeiten obiger Beschreibungen zusammengefasst und mit dem Charakter einer universellen Aussage versehen, lässt sich Qualität als „ein Grad zu einer Referenz“ bezeichnen. Diese Formulierung impliziert, dass es eine messbare Qualität ohne eine Anspruchsstellung nicht geben kann. Der Anspruchsteller hat somit eine Referenz festzulegen, an der ein Abgleich erfolgt.
Im Weiteren unterliegt die Qualität nicht nur einem Ergebnis sondern auch einem Weg oder Prozess, ein Ergebnis zu erlangen. Neben dem relativen Charakter der Qualität werden auch die Begriffe „Objektiv“ und „Subjektiv“ angeführt. Objektive Merkmale sollen gemessen werden, Subjektiv ist jedoch die Definition der Referenz selbst. Objektives versucht, etwas aus verschiedenen Perspektiven neutral zu beschreiben oder zu bewerten. Mit Subjektivität ist beispielsweise die Beschreibung eines Menschen mit seinen Gedanken und „Färbungen“ gemeint. Mit Blick auf die vorangegangenen Betrachtungen wür-de sich Qualität etwas widersprüchlich als „subjektive Objektivität“ bezeichnen lassen.
Unser Familienvater Günter hat zum Beispiel in einem Gespräch mit Kollegen erläutert, dass die Teile die er herstellt, qualitativ sehr hochwertig sind. Sie passen gut in die Maschinen, die diese Teile erhalten. Natürlich müssen die Bauteile maßhaltig sein, aber sie sollen auch schön aussehen. Es kann nicht sein, dass da hässliche Teile an den Maschinen befestigt werden. Er schlägt vor, dass neben der Maßhaltigkeit auch die Schönheit oder das Aussehen der Teile mitberücksichtigt werden, wenn Qualitätsmerkmale durch die Vorgesetzten vermittelt werden.
Subjektive und objektive Zuweisungen sind notwendig, unseren Qualitätsbegriff zu beschreiben. Qualität, als eine Komponente der Bedeutung für einen Energieerhaltungssatz in der Kommunikation, benötigt aufgrund der relativen Eigenschaft keine Definition einer Referenz. Aus alledem wird, für unsere Hauptanforderung in diesem Buch, die von mir entwickelte Definition für die Qualität in der Kommunikation vorgeschlagen. Dabei ist es unerheblich, aus welcher der verschiedenen Perspektiven auf die Kommunikation gesehen wird:
„Qualität ist das, was Konfliktpotentiale entstehen oder nicht entstehen lässt“.
Das sieht auf den ersten Blick seltsam und widersprüchlich aus, integriert jedoch die gelingende und die nicht gelingende Sichtweise. Da grundsätzlich Konfliktpotentiale in einem System vorhanden sind, kann sich diese Definition damit auf positive und negative Aspekte beziehen. Da wir, wie eingangs beschrieben, überwiegend Positives mit Qualität verbinden, lässt sich in der Praxis der Kommunikation auch nur eine Seite in den Fokus stellen, da die jeweils andere damit korreliert. Somit wird diese universelle Definition, die für alle Anspruchssteller, Situationen und Aktionen gültig ist, vorgeschlagen:
„Qualität ist das, was Konfliktpotentiale nicht entstehen lässt“
Zusammenfassend ist der zentrale Punkt der Kommunikationsqualität hier und da schwierig zu fassen. In der Praxis versteht jeder etwas geringfügig Abweichendes darunter. Qualität wird nur gültig, wenn Sie an einer Referenz abgeglichen werden kann. Nur so lässt sich der Energieerhaltungssatz der Kommunikation transferieren und anwenden. Das bedeutet, dass wir in jeglicher Kommunikation oder Interaktion auch Zielbeschreibungen oder Planungen mit einbeziehen, wie ein Ergebnis oder ein Prozess aussehen sollte.
Über dieses Ziel oder den Weg sollte dann ein gleiches Verständnis zwischen den Akteuren entwickelt werden. Wenn also der Vorgesetzte in der Fabrik gemeinsam mit dem Produktionshelfer, dem Ingenieur und den Prüfern vereinbart, ein „schönes“ Produkt fertig zu bekommen, so entstehen Konfliktpotentiale, da alle etwas anders unter „schön“ verstehen. Haben jedoch alle Beteiligten ein gleiches Verständnis von Schönheit an der Maschine entwickelt und vereinbart, so sinken die Konfliktpotentiale in dieser Sache.
Wenn Sie Kommunikation und ein neuer Blick auf Kommunikation interessiert, finden Sie hier das Buch „Kommunikationsqualität steigern & Konfliktpotentiale senken“. Ebenso wie das dazugehörige Buch „Das 5 Aktionsmuster-Modell – ein praktisches Kommunikationsmodell“. Das ist sehr spannend!
Quellen und Hinweise:
1 Die Referenz ist die Festlegung eines Ziels, eines Grades oder einer Situation.
2 Pfeifer (2014), Handbuch Qualitätsmanagement.
3 Geiger & Kotte (2008), Handbuch Qualität.
4 DIN EN ISO 8402:1995.
5 DIN EN ISO 9000:2015.
6 Schaller & Baller (2008), Qualität in der Pflege. Das Krankenhaus.
7 Watzlawick, Beavin, & Jackson (2003), Menschliche Kommunikation.
8 Cerwinka & Schranz (1999), Die Macht der versteckten Signale – Wortwahl, Körpersprache, Emotionen.
9 Hasler (2016), Entwicklung eines wissenschaftlich basierten Qualitätsverständnisses für die Pflege- und Lebensqualität.
10 Bastiaens (2007), Qualitätssicherung und Evaluation.
11 Lütke (2007), Qualität und Kulturelles Kapital: Wie Haltungen das Ergebnis von Handlungen beeinflussen.
12 Crosby (1986), Running Things – The Art of making Things happen.