Gerade in dieser Zeit sind wir umringt von Dingen, die wir noch nicht kennen oder die aufgrund der Sachlage sehr komplex sind. Wenn es reichen würde, anhand von Sachverhalten und Faktenlagen eine Erklärung zum Verständnis zu bringen, wäre alles geregelt. Aber wir merken jeden Tag auch bei uns selbst, dass es so einfach nicht ist. Genauso wie bei gesellschaftlichen Debatten wie auch im Kleinen – in der Familie oder im Betrieb.
Verstehen, Verständnis und die Erkenntnis eines Sinns ist maßgeblich entscheidend, ob zum Beispiel ein Prozess oder eine Maßnahme gut umgesetzt werden kann. Auch Corona Regeln sind Prozesse. Dabei ist es egal, ob es bei einem Menschen um die Arbeit oder das Private geht, ob jemand Führungskraft oder Produktionshelfer*in ist.
Konflikte sind, grob gesagt, eine Einschränkung des eigenen Sein’s oder Tun’s. Menschen können Konflikte mit sich selbst, mit anderen Menschen oder mit der Umgebung haben, in der sie sich befinden. Man spricht bei Konflikten auch von Konfliktsystemen. Systeme haben die Eigenart, sich selbst erhalten zu wollen, und Entwicklungen in Systemen sind so gut wie nicht vorherzusagen (Folge von Emergenz).
Konflikte sind damit auch Krisen. Und hier lässt sich nun ein Zusammenhang mit der aktuellen “Corona” Krise herstellen, da sie eben als Konflikt – als Konfliktsystem gesehen werden kann. Ein Effekt aus den Belastungen (jeder empfindet Belastungen anders) daraus ist gewissermaßen eine emotionale Überforderung, welche verhindern kann, rational und überlegt zu handeln.
Das bedeutet auch, dass sich hier konfliktberuhigende Kommunikation einsetzen lässt.
Im Folgenden stelle ich einige Hinweise vor, sich in Krisen besser bewegen zu können. Es ist mir sehr wichtig anzumerken, dass hier die Rolle im Betrieb nicht relevant ist. Sollten Sie Ihre betriebliche Rolle allerdings nicht ausblenden wollen, so können Sie das auch in Ihrer Rolle formulieren. Der Sinn und die Wirkung ist wesentlich – und selbst wenn etwas nicht auf Sie zutrifft, so kann es doch auf Ihre Mitarbeiter*innen zutreffen:
1 Sprechen Sie Ihre Gefühle und vielleicht auch Besorgnis – wie auch Unverständnis oder Ärger hörbar, deutlich und so konkret wie möglich aus. Einmal ausgesprochen, berichten viele Menschen, dass es etwas erleichtert, auch weil die Worte nicht mehr zurückgenommen werden können und damit eine Klarheit hergestellt wurde. Vor sich selbst und vor Mitarbeitern.
2 Schauen Sie nicht so weit nach vorne. Nichts ist größer als unsere Vorstellungen von Situationen in der Zukunft. Was ich mir vorstelle, wird auf einmal immer größer – „…und wenn das ist und das noch passiert und“ – Puh. Vielleicht kennen Sie das: „Das wird mir alles zu viel“ oder „Ich fühle mich überfordert mit dem was kommt“. Es können Verunsicherungen entstehen, die kommenden Aufgaben nicht bewältigen zu können. Das sind alles Momente, in denen wir, wie schon weiter oben beschrieben, sehr emotional unterwegs sind. Rationale Gedanken und Handlungen lassen sich nur noch schwerlich umsetzen. Dies wiederum führt zu weiterer Sorge – ein Kreislauf entsteht.
Es ist in so einem Fall hilfreich, nicht so weit nach vorne zu schauen. Das ist echte Arbeit, denn diesen Vorgang müssen wir bewusst vornehmen. Fühlen sich Mitarbeiter also verunsichert, so versuchen Sie, real -und ohne Wenn und Aber – Ihre Vorstellung der nächsten 4 Wochen zu beschreiben.
3 Es kann helfen, anderen zuzuhören: Was sich banal anhört ist etwas ganz Aktives. Denken Sie einmal nach, wie es sich anfühlt, wenn Ihnen jemand intensiv zuhört – wenn Sie jemandem etwas erzählen können, was Sie beschäftigt oder belastet. Was ist das für ein Gefühl? Bevor Sie weiterlesen, beantworten Sie sich diese Frage. In vielen Gesprächen wurde mir erläutert, dass es sich gut anfühlt. Man fühle sich anerkannt, wertgeschätzt und vor allem höre ich immer wieder, dass man sich ernst genommen und gesehen fühlt. Und dies gibt man einem Menschen, indem man ihm ohne Bewertung des Gesagten zuhört. Sie geben Ihren Mitarbeitern mit dem Zuhören auch Halt und in gewisser Form Sicherheit.
Die Bewertungsfreiheit ist wichtig. Und Ihr Verständnis. Das muss kein Einverständnis sein, aber lassen Sie demjenigen, der Ihnen erzählt, seine Welt – seine Wirklichkeit. Sie schaffen damit einen großen Vertrauensraum.
4 Betrachten bzw. vermitteln Sie das Ganze Bild – nur dann kann sich Verständnis entwickeln. Schauen Sie sich das kleine Bild an.
Sie sehen 2 Punkte oder Kugeln. Sie sehen die so, weil Sie ganz nah vor einem ganzen Bild stehen. Die Kugeln nehmen dabei fast das ganze Blickfeld ein.
Erst wenn Sie sich entfernen, sehen Sie mehr Kugeln – und irgendwann ergibt sich ein ganzes Bild. Die vormals großen Kugeln sind nun viel kleiner – sie haben weniger Relevanz. Die Relationen verändern sich durch den Blick auf das gesamte Bild, der Fokus kann sich verschieben, und Sie können möglicherweise erkennen, dass ein gerade sehr viel Raum einnehmendes Problem oder eine große Sorge, im gesamten Bild zwar noch vorhanden ist, aber möglicherweise durch die Distanz anders bewertet wird.
Durch den Perspektivwechsel werden die Sorgen und Probleme nicht kleiner und wahrscheinlich nehmen Sie weiter viel Raum ein, aber durch das Verschieben der Relation, durch die andere Wahrnehmung erfassen Sie, dass es noch vieles andere zur gleichen Zeit in Ihrer Wirklichkeit gibt. Und das, so berichten viele Menschen, beruhigt. Die Welt besteht nicht nur aus einem Problem.
Sie können den Text zum ausdrucken hier als pdf downloaden.
Die Hinweise dienen im Übrigen auch zu guter Kommunikation außerhalb von Krisen.